Der Arbeitskreis verfolgt zwei Ziele: Zum einen soll inhaltlich die Geschlechterperspektive in die technikgeschichtliche Forschung integriert werden. Wie Karin Zachmann in ihrem Einladungsschreiben zum ersten Workshop formuliert hat, geht es darum, "Geschlecht als eine nützliche Kategorie historischer Analyse im Sinne von J.W. Scott in der Weise fruchtbar zu machen, daß der Zwang zur Markierung der Geschlechterdifferenz als Weichenstellung im konkret historischen Prozeß verstanden wird".
Zum anderen dient er als wissenschaftliches und politisches Forum, das neben der Etablierung von methodischen Ansätzen und geschlechtergeschichtlichen Themen in der Technikgeschichte auch die dringend nötige Vernetzung der Forscherinnen in diesem Arbeitsfeld fördert. Das hat zur Folge, daß der Arbeitskreis dahin wirkt, politische Strategien zu entwickeln und nach Wegen zu suchen, wie sich Forscherinnen in die Community einbinden und das Forschungsfeld in ihrem Sinne prägen können.
6. Workshop 28.2.1998
Anliegen des 6. Workshops war es, anhand von ausgewählten Aufsätzen über »the state of the art« zu diskutieren. Außerdem sollte gemeinsam überlegt werden, eine Datei mit den Arbeitsschwerpunkten und Interessen der Frauen in der GTG aufzubauen, um für eine stärkere Vernetzung untereinander zu sorgen und um bei künftigen Workshops das breite Spektrum der vertretenen Themen besser einbeziehen zu können (Alle Interessierten bitten wir, den entsprechend ausgearbeiteten Fragebogen an uns zu schicken). Vor Ort wurde schließlich auch über Probleme in der praktischen Umsetzung und Anwendung der Ergebnisse historischer Frauenforschung diskutiert an uns zu schicken). Vor Ort wurde schließlich auch über Probleme in der praktischen Umsetzung und Anwendung der Ergebnisse historischer Frauenforschung diskutiert. an uns zu schicken). Vor Ort wurde schließlich auch über Probleme in der praktischen Umsetzung und Anwendung der Ergebnisse historischer Frauenforschung diskutiert.
Das Treffen fand im Rheinischen Industriemuseum, Außenstelle Ratingen, statt. Zu Beginn führteEckhard Bolenz durch die Ausstellung in der Cromforder Fabrik. Er erläuterte Konzept und Aufbau des Museums und gab ein paar praktische Beispiele aus der museumspädagogischen Arbeit.
Anschließend stellten Birgit Beese, Olge Dommer und Andrea Kiendl das Projekt »Route der Industriekultur« vor und ihre Überlegungen, wie in die Ausarbeitung der Route ein frauen- und geschlechterhistorischer Ansatz integriert werden könne. Bei der Route handelt es sich um eine Maßnahme regionaler Strukturpolitik, die versucht, durch Bewahrung des industriekulturellen Erbes den (Industrie-)Tourismus im Ruhrgebiet zu fördern. Birgit Beese wies darauf hin, daß der Umgang mit Industrie- und Technikdenkmälern ein wenig beachtetes Thema für die feministische Geschichtsarbeit sei. Insbesondere sei problematisch, daß bei der Bewahrung und Musealisierung von Industrielandschaften nach wie vor der produktivistische Blick vorherrsche und »Technik als eine die Geschlechterverhältnisse strukturierende Größe selten thematisiert« werde. Dementsprechend perpetuiere auch die jetztige Gestaltung der Route das Denken in überkommenen Bezugssystemen und Dichotomien. Als Möglichkeiten, die Perspektive zu wechseln und die »über Technik strukturierten Beziehungen sichtbar zu machen«, wurde im folgenden Meinungsaustausch vorgeschlagen, beispielsweise anhand der Metaphorik des Stahls den männlichen Blick auf Technik zu dekonstruieren und so auch das Thema Männlichkeit selbst anzusprechen, oder in die Rundwege Stationen mit Hinweisen zu Krisensituation der industriellen Erwerbsarbeit und ihren Folgen für das Geschlechterverhältnis einzubauen.
Die Diskussion über »the state of the art« eröffnete Martina Blum mit einer persönlichen »Positionsbestimmung zu neueren Ergebnissen der amerikanischen Technik- und Geschlechtergeschichte«. Ausgangspunkt bildete das Themenheft der Zeitschrift Technology & Culture 38/1 (1997) zu Technik und Geschlecht. Angesichts der politischen Intentionen, die offensichtlich hinter dieser Ausgabe standen, ging es um die Frage, was der community als Stand der Forschung präsentiert wird, und was daraus für die Rezeption geschlechtergeschichtlicher Fragestellungen in der Technikgeschichte folgt. Die Bedeutung des Heftes nicht bestreitend, sah Martina Blum dennoch einige Schwächen, die ihr symptomatisch für gegenwärtige Tendenzen in der feministischen Forschung schienen. Da ist zunächst der erhobene Zeigefinger: »gender ideologies play a central role«. So richtig dies ist, wirkt die ständige Wiederholung doch etwas ermüdend und steht für einen eigentlich überflüssigen Legitimations- und auch Missionszwang. Weiter kritisierte Martina Blum an einigen Aufsätzen, daß sie Schwächen der Argumentation, die im verwendeten diskurstheoretischen Ansatz begründet liegen, mit dem Rückzug auf politisch korrektes Denken wettzumachen versuchten. Dadurch werde konservativen Sichtweisen Vorschub geleistet, die methodisch die Rückkehr zur Frage von Handlung und Struktur forderten, und dies könnte in der Folge zur Diskreditierung der Geschlechtergeschichte selbst führen. Schließlich war ihrer Ansicht nach auffällig, daß in der Argumentation selbst geschlechtliche Stereotypen reproduziert wurden. Hier liegt ein Problem, auf das im folgenden auch Brigitte Robak zu sprechen kam: Geschlecht ist nicht Gegenstand der Untersuchung, sondern Teil der Argumentation und büßt so an Erklärungskraft ein.
Brigitte Robak berichtete über »Die neuere britische Debatte zum Verhältnis von Technik und Geschlecht« auf der Grundlage des von Keith Grint and Rosalind Gill herausgegebenen Sammelbandes »The Gender-Technology Relation. Contemporary Theory and Research« (London 1995). Dabei trug sie zunächst die Kritik vor, die einige der Autorinnen und Autoren an der feministischen Forschung, insbesondere an Cynthia Cockburn und Judith Wajcman, übten. U.a. wird deren Tendenz zum Funktionalismus moniert: Die Beziehung von Frauen und Männern zu Technik werde nur in ihrer Funktion für die Geschlechtsidentität gesehen; sie sei immer Bestandteil des 'doing gender'. So werden schließlich allein die Aktivitäten wahrgenommen, die sich als weiblich oder männlich identifizieren lassen. Das Geschlecht gelte zwar als sozial konstruiert und muß deshalb auch veränderbar sein, tatsächlich werde es aber als Untersuchungskategorie verwendet und entziehe sich so der Analyse. Damit wirke der Ansatz von Cockburn und Wajcman letztlich statisch und konservativ. Daran anschließend stellte Brigitte Robak die in dem Sammelband vertretenen Ansätze zur theoretischen Weiterentwicklung der Forschung zu Technik und Geschlecht vor. Diese Ansätze favorisieren im Rahmen des Sozialkonstruktivismus die actor-network-Theorie. Sie lehnen die Vorstellung ab, Technik werde von vornherein als männlich oder weiblich konstruiert. Nicht die Technik selbst, das Materielle, sei entscheidend, sondern deren Interpretation als männlich oder weiblich in einem kontinuierlichen Verhandlungsprozeß. Ein zentraler Aspekt dieses Ansatzes ist sein Verständnis von Macht: Macht entwickle sich in der Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Akteuren; sie sei nicht das, was die einen ein für alle Mal haben und die anderen nicht. Von der Referentin wurde abschließend kritisch hinterfragt, ob mit der actor-network-Theorie nicht zentrale gesellschaftliche Machtassymmetrien und damit auch die Geschlechterperspektive aus dem Blick gerieten.
Brigitte Robak
martina blum
5. Workshop 15.1.1997
Aufbauend auf die Ergebnisse der vorangegangenen Workshops drehte sich das 5. Treffen des Arbeitskreises um die »Geschlechterdimension von Technikkompetenz«. Zur Debatte standen zwei Argumentationslinien in der Literatur, die Dorothea Schmidt (Berlin) in ihrem call-for-papers dargestellt hatte: Hinsichtlich Entwicklung und Erwerb von Technikkompetenz wird entweder von einer Marginalisierung von Frauen ausgegangen, oder davon, daß - sofern Frauen über Technikkompetenz verfügen - diese Kompetenz gesellschaftlich unsichtbar bleibt. Da die Bedeutungen von Technikkompetenz gemäß dem historischen und kulturellen Kontext variierten, war Dorotheas Schmidt Meinung nach zu fragen, ob a) Technikkompetenz eine beliebige soziale Konstruktion darstelle, b) wie sie entstehe und vermittelt werde, c) welche kulturellen Muster und sozialen Institutionen sie in der Phase der Entwicklung der Technik prägten, und d) welche Rolle sie bei der Anwendung von Technik innerhalb gesellschaftlicher Produktion und Reproduktion spiele.
Zu Beginn des Workshops führte Karin Zachmann (Dresden) in den »Begriff der Technikkompetenz in der gegenwärtigen technikgeschichtlichen Diskussion« ein. Da Technikkompetenz kein gebräuchlicher Begriff in der Technikgeschichte ist, sah sie einen möglichen Anknüpfungspunkt für die Diskussion im Konzept der »tacit skills«. Auf der einen Seite warf sie dabei die Frage auf, ob die Ablösung der »Erfahrung«, sprich der »shop-culture« im Produktionsbereich, durch die »Theorie«, d.h. einen ingenieurswissenschaftlichen Zugang, Frauen den Zugang zu Technik erleichtert habe. Denn dadurch, daß auf der Ebene des »shopfloors« die sozialen Ausschlußmechanismen einer männlich geprägten Kultur nicht länger wirksam waren , konnten sich neue Formen und Muster von Technikkompetenz entwickeln. Auf der anderen Seite galt es ihrer Meinung nach zu untersuchen, ob Frauen Technikkompetenz primär als Anwenderkompetenz erwerben.
Rita Pokorny (Berlin) stellte die »Rationalisierungsfachfrau und Gilbreth-Schülerin Irene Witte« vor. In den zwanziger Jahren machte sie sich in dem sich neu etablierenden Feld der Arbeitswissenschaften einen Namen. Sie veröffentlichte zahlreiche Studien auf diesem Gebiet und wirkte durch ihre Übersetzungstätigkeit als zentrale Mittlerin im Transfer der Erkenntnisse der amerikanischen Arbeitswissenschaften nach Deutschland. Ab 1927 bis kurz vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges arbeitete sie als Organisatorin in leitender Stellung in den großen Warenhäusern N. Israel und Hermann Tietz in Berlin. Ab 1949 leitete sie die Auslandsabteilung im Rationalisierungsausschuß der deutschen Wirtschaft. Sie war Mitbegründerin der betriebswirtschaftlichen Beratungsstelle des deutschen Einzelhandelsverbandes. Außerdem lehrte sie an der FU Berlin Kostenanalyse, Arbeitsorganisation und anderes mehr im Fach Betriebswirtschaftslehre. In Bezug auf das Workshopthema war interessant, daß sich Irene Witte durchsetzte, ohne eine akademische Ausbildung zu haben. Es gehörten Zufall (ihre Begegnung mit Gilbreth) und Glück (englische Sprachkenntnisse) dazu. Doch maßgeblich hing es davon ab, daß das neue Fach noch nicht fest etabliert war. Ihre Mitgliedschaft im VDI, wo sie als Schriftführerin tätig war, zeugt von der offensichtlichen Anerkennung ihrer Technikkompetenz. Dennoch wurde ihr Buch »Kritik an Zeitstudien« 1921 heftig von den Ingenieuren kritisiert, die ihr aufgrund ihres Geschlechtes mangelnde Technikkompetenz vorwarfen.
Brigitte Robak (Marburg / Kassel) sprach in ihrem Vortrag »Unternehmer als Akteure im Prozeß der Definition von Qualifikation und Technikkompetenz« über den Prozeß der sozialen Konstruktion von Technikkompetenz. Sie verfolgte dabei am Beispiel der Einführung der Setzmaschinen im 19. Jahrhundert die Strategien und Interessen von Maschinenherstellern und Maschinenanwendern in der Entwicklungs- und in der Durchsetzungsphase einer neuen Technik. Bemerkenswert ist, daß an allen frühen Setzmaschinen, die längere Zeit in Betrieb waren, Frauen gearbeitet haben. Sie bewiesen an den störanfälligen Maschinen Lernfähigkeit und Geduld und machten z.T. Vorschläge zu deren Verbesserung. Die Hersteller empfahlen, die Maschinen mit Frauen einzuführen, und die meisten Druckunternehmer taten das zunächst auch. Als sich jedoch abzeichnete, daß die Maschinen sich durchsetzen würden, wurden sie zum Gegenstand von Aushandlungsprozessen zwischen Druckunternehmern und den betroffenen gewerkschaftlich organisierten Arbeitskräften. Nun erschienen Frauen nicht mehr als geeignet. Zentrales Argument für die Beschäftigung von Männern war deren Technikkompetenz, die ihnen nicht aufgrund praktischer Erfahrung, sondern qua Geschlecht zugesprochen wurde. Daß Frauen in der Frühphase Technikkompetenz bewiesen hatten, wurde ignoriert. Insofern kann man Technikkompetenz von Frauen tatsächlich den tacit skillszuordnen. Sie wird benutzt, ist aber nicht verhandelbar. Und sie wird i.d.R. on the job angeeignet. Diese im praktischen Umgang mit der Technik erworbene Qualifikation ist informell, nicht durch Zeugnisse u.ä. bestätigt. Das macht es leicht, sie zu leugnen. Maschinenhersteller und Druckunternehmer hielten es in der Durchsetzungsphase der Maschinen für opportun, die Position der männlichen Facharbeiter im Druckgewerbe zu stützen. Für Technikkompetenz von Frauen blieb dabei kein Raum
Der zum Thema »Geschlechtsspezifische Möglichkeiten in der Verwertung von Technikkompetenz« angekündigte Vortrag von Margit Englert, »Zur geschlechtsspezifischen Segregierung eines Berufsfeldes: Chancen und Behinderungen der Berufstätigkeit von Frauen in den Labors der chemischen Industrie zwischen 1900 und 1925, am Beispiel des Werkes Leverkusen der Firma Bayer«, mußte wegen Krankheit leider ausfallen.
martina blum
4. Workshop 18.1.1997
[Protokoll folgt]
GTG-Tagung 1996
Drei Beiträge, die auf der GTG-Tagung 1996 "Wissensformen in der Technik" gehalten wurden, waren in den verschiedenen Workshops des Arbeitskreises teils in abgewandelter Form diskutiert worden: Martina Blum, »»Die adäquatere Veranlagung des Mannes zur technischen Tätigkeit auch bei geringerer formaler und absoluter Intelligenz«. Zur Frage des technischen Wissens im Beruf der Röntgenassistentin«; Juliane Mikoletzky, »Zur Vermittlung mathematischen und naturwissenschaftlich-technischen Wissens an Frauen: Das Beispiel Österreichs im 19. Jahrhundert«; und Barbara Orland, »»Die Chemie des Lebens«.Formen populärwissenschaftlicher Chemievermittlung zwischen 1850 und 1930«. Der von Susanne Breuss angemeldete Beitrag »»Nach diesem Ausflug in die Theorie wollen wir aber zur Praxis zurückkehren«. Zur Vermittlung technischen Wissens in der Ratgeberliteratur für Frauen« ist aus beruflichen und persönlichen Gründen leider ausgefallen
3. Workshop 13.1.1996
Beim Arbeitskreistreffen während der GTG-Tagung 1995 hat sich der Kreis der Interessierten vergrößert, und es sind neue Interessen artikuliert worden. Das hatte zur Folge, daß sich der dritte Workshop thematisch von den ersten beiden merklich abhob: In Anlehnung an das Thema der nächsten GTG-Tagung "Formen technischen Wissens" wurde eine Art "Vorkonferenz" veranstaltet, um die geschlechtsspezifischen Aspekte dieses Themas auszuleuchten. Gleichzeitig sollte aber an die beiden vorangegangenen Veranstaltungen angeknüpft werden. Formen technischen Wissens müssen demzufolge nach ihrer Wirkung auf die Ausprägung geschlechtsspezifischer Berufe untersucht werden. Noch zentraler stand dann aber die Frage nach ihrer Beteiligung an der Konstuktion der Geschlechterdifferenz bei den vier Referaten im Vordergrund.
Susanne Breuss (Wien) konnte in ihrem Beitrag "Wie Technik dir im Haushalt hilft". Zur Vermittlung technischen Wissens in der Ratgeberliteratur für Frauen" zeigen, daß Haushaltsratgeber durch ihre fragmentarische Darstellung von Technik nicht nur das Bild vom mangelnden weiblichen Technikverstændnis vermitteln, sondern dieses durch eine selektive, rein anwendungsoriente Vermittlung von technischem Wissen geradezu verhindern.
Auch Juliane Mikoletzky (Wien) untersuchte die Gründe für die angebliche "Technikferne" von Frauen anhand der "Vermittlung mathematischen und naturwissenschaftlichen Wissens an Frauen in Österreich im 19. Jahrhundert". Eine gewichtige Rolle spielten dabei die bildungspolitischen Strategien, die den Zugang für Frauen und Mädchen zu Bildungsinstitutionen verhinderten. Aber auch die Lehrinhalte vermittelten, ähnlich wie die Ratgeberliteratur, nur selektives, "für Damen" zugeschnittenes Wissen.
Barbara Orland (Bochum) vertiefte die Frage, wie Wissen und seine Vermittlung auf die Konstruktion der Geschlechter wirkt. Ihr Beitrag "Chemie für den privaten Alltag. Geschlechterpolitik in Chemiebüchern des 19. Jahrhunderts" konnte zeigen, daß in diesen populären Büchern an die bürgerliche Mittelschicht zwischen weiblichen und männlichen Lesenden unterschieden wurde und die Autoren ganz bestimmte Ziele verfolgten, die nicht ausschließlich auf Wissensvermittlung, sondern sehr wohl auf die weibliche Sozialisation ausgerichtet waren.
Das konnte auch Ildik? Sz?sz mit ihrem Beitrag "Entwürfe einer einfachen häuslichen Lebensmittelanalytik in den an Frauen gerichteten Chemiebüchern von 1800-1850" bestätigen. Die ausschließlich an Frauen gerichteten Chemiebücher vertraten ein Bildungsideal, das die chemische Ausbildung für Frauen nur innerhalb ihrer Rolle gemäß dem bürgerlichen Weiblichkeitsideal vorsah. Wissen diente dazu, Frauen zu repräsentativen Gattinnen, gebildeten Erzieherinnen der Kinder und zu perfekten Hausfrauen zu machen.
Barbara Schmucki
GTG-Tagung 1995
Anregungen aus den beiden Workshoptreffen sind in Dorothea Schmidts und Karin Zachmanns Referat der GTG-Tagung 1995 »Der Ansatz der Geschlechtergeschichte in der Technikgeschichte oder: Warum die Technikgeschichte die Geschlechtergeschichte braucht« eingeflossen. Maria Osietzki sprach über »Technik und Körper: Kritische Überlegungen zum »linguistic turn« in der Geschichtswissenschaft«.
Diese Punkte griff drei Monate später der zweite Workshop auf und führte damit die inhaltliche Diskussion der Fallstudien auf eine theoretische Ebene. Im Zentrum der Diskussion standen die Themen "Verhältnis Technikgeschichte - Geschlechtergeschichte", "Körperlichkeit" und "Berufekonstruktion".
Karin Zachmann (Dresden) rekapitulierte in ihrem Beitrag "Das Verhältnis von Technikgeschichte und Geschlechtergeschichte" zunächst die in der Technikgeschichte gebräuchlicheren Begriffsdefinitionen von "Technik". Zusammenfassend stellte sie fest, daß die Geschlechterperspektive darin ausgegrenzt wird. Als einen möglichen Weg, Geschlechter- und Technikgeschichte zusammenzuführen, stellte Zachmann den Arbeitsbegriff zur Diskussion. Anknüpfend an Hanna Ahrendts Konzept der "Vita aktiva" soll mit einem erweiterten Arbeitsbegriff Stoffwechseltheorie, Produktions-, aber eben auch Reproduktionstheorie verbunden werden. Um die Ausgrenzung der Frauen zu erklären, geht es darum, die Ebenen des "Wissens" und der "Artefakte", die bereits durch Begriffsdefinitionen der Technik- und Geschlechtergeschichte gefaßt worden sind, durch die Ebene des "Handelns", die bisher noch wenig theoretisiert worden ist, zu erweitern.
Maria Osietzki (Bochum) beschäftigte sich in ihrem Beitrag zur "Körperlichkeit" mit verschiedenen Ansätzen zur Analyse der Leiblichkeit, ihrer Bedeutung für die Untersuchung der historischen Geschlechterordnung und der Dingwelt in der Technikgeschichte allgemein. Sie plädierte für die Widerständigkeit des Leiblichen und seine Historisierung. Einen produktiven Weg, um einerseits die Konstruktion und andererseits die Widerständigkeit der Materie beschreiben und analysieren zu können, sieht sie in der Anwendung des Habituskonzepts von P. Bourdieu, das sie am Beispiel der Identitätsbildung von Elektrotechnikern um die Jahrhundertwende demonstrierte.
Der Beitrag von Dorothea Schmidt (Bremen) zur Berufekonstruktion nahm inhaltlich noch einmal das Thema des ersten Workshops auf und stellte seine theoretische Faßbarkeit zur Diskussion. Für eine Analyse erweiterte sie den Ansatz von Bourdieu/Boltanski zu möglichen Diskrepanzen von "Titel" (Ausbildung) und "Stelle" (Arbeitsmarkt) um die Kategorie der "Tätigkeit" (Innerbetriebliche Arbeitsteilung). Als methodischen Zugang schlug sie sodann vor, Akteure zu untersuchen, ihre Machtpotentiale festzulegen und zu klären, wie Auseinandersetzungen zwischen ihnen vor sich gehen.
In der Schlußdiskussion wurde noch einmal versucht, einen Verbindungsbegriff zu definieren, der sowohl Formen des Wissens, das Handeln und die Objektwelt, als auch die Entwicklung und Gestaltung von Technik, die Aneignung von Technik und den Umgang mit Technik unter geschlechtergeschichtlichem Aspekt einschließt. Insbesondere muß dabei einmal der vorgefaßte Begriff der Gestaltung von Technik relativiert werden, da er Aneignungsformen nicht berücksichtigt, und ebenso der Handlungsbegriff, der eine Zweckrationalität zu sehr in den Vordergrund stellt. Ins Zentrum der Analyse soll vermehrt die Technikbegegnung, die Dingwelt und Körperlichkeit gestellt werden.
(Eine ausführlichere Besprechung der Workshops finden Sie in: Martina Blum u. Barbara Schmucki, Workshop des Arbeitskreises "Frauen und Technik". Frauenberufe und Männerberufe im historischen Wandel, in: Metis 1 (1995), S. 69-74)
1. Workshop 26.11.1994
Für den ersten Workshop am 26. November 1994 wurde als einer der möglichen Zugänge, um die Wirksamkeit historischer Geschlechterordnung im Hinblick auf den technischen Wandel zu untersuchen, die Analyse der geschlechtsspezifischen Ausgestaltung von Berufen gewählt. Zwei Leitfragen standen im Mittelpunkt: Einmal ging es darum, zu klären, wie sich die Wirksamkeit der historischen Geschlechterordnung in der Aufteilung von Arbeit auf Männer und Frauen analysieren läßt. Zum andern, ob, und wenn ja, wo, wann und wie sich die Aufteilung von Arbeit nach Geschlechtszugehörigkeit als Prämisse für Entscheidungen über die Anwendung oder Vermeidung neuer Technik auswirkt.
Fünf Referentinnen haben dazu ihre Forschungsergebnisse aus laufenden Arbeiten vorgestellt:
Angela Gabel (Magdeburg) verwies in ihrem Vortrag zu "Veränderungen der Beschäftigungsstruktur im Buch- und Steindruckgewerbe durch den technologischen Wandel im 19. Jahrhundert" auf die wichtige Rolle, die Frauenarbeit in diesem Gewerbe gespielt hat, und widerlegt damit die herkömmliche Forschung, die vornehmlich die Bedeutung der handwerklichen, und d.h. männlichen Berufe betont.
Dorothea Schmidt (Bremen) wies bei ihrem Beitrag zum Titel "Hat das Handwerk ein Geschlecht? Handwerker und Handwerkerinnen in neuerer Zeit" auf die Ausgestaltung von geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen im Berufsfeld des Handwerks hin.
Barbara Schmucki (München) untersuchte in ihrem Beitrag "Mehr Frauen im Fahrerdienst!" - Frauen und Männer im öffentlichen Personennahverkehr" unter welchen Bedingungen Frauen in einen reinen Männerberuf einsteigen konnten und welche Rolle dabei die Technik spielt.
Martina Blum (München) ging in ihrem Beitrag "Der Beruf der Röntgenassistentin und die Wirksamkeit historischer Geschlechterordnung" der Frage nach, warum die Röngtenassistenz zu einem typischen Frauenberuf avancierte, obwohl der Umgang mit einer als gefährlich und kompliziert geltenden Technik konstitutiv für den Beruf ist.
Der abschließende Beitrag von
Karin Zachmann (Dresden) zum "Frauenstudium in den Ingenieurwissenschaften - Weg zur Umgestaltung eines Männerberufes mit weitreichenden Wirkungen in der Technikentwicklung?" verfolgte am Beispiel der TU Dresden die Frage, inwieweit die Demokratisierung des Zugangs zu höherer Bildung, die in der Zulassung der Frauen zum Studium ihren prägnantesten Ausdruck fand, die homosoziale Tradition des Ingenieurberufes zu ändern vermochte.
In den Referaten und Diskussionen wurde deutlich, daß die Analysekategorie "Beruf" präzisiert werden muß, damit es möglich wird, alle Tätigkeitsfelder (insbesondere unbezahlte Hilfsarbeiten, die meist von Frauen ausgeführt werden) rund um technische Artekfakte untersuchen und einbeziehen zu können. Für die Konstruktion von Berufsbildern spielen weiter in großem Maße Vorstellungen eine wichtige Rolle, die durch gesellschaftliche Werte und Normen geprägt sind. Speziell gilt es hier die Faktoren Körperlichkeit, Geschlechterpolaritäten und Geschlechtscharaktere, aber auch dem Beruf eingeschriebene Anforderungen und die Einflüsse, die die Technik, die den Beruf bestimmt, ausübt, zu analysieren
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Karin Zachmann
Münchner Zentrum für Wissenschafts- und Technikgeschichte
c/o Deutsches Museum
80306 München
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