Internationale Forschungen zur Popularisierung von Naturwissenschaft und Technik
Barbara Orland
Wissenschaft und Laien-Öffentlichkeit - internationale Forschungen zur Popularisierung von Naturwissenschaft und Technik
Die Wissenschafts- und Technikgeschichte hierzulande weiß bislang wenig von spezifisch deutschen Traditionen wissenschaftlicher Popularisierung zu berichten. Freilich gibt es Studien über museale Verbreitungsformen, über Industrie- und Weltausstellungen, große technische Museen oder Industriewerbung, Geschichten des Radios oder des Fernsehens. Dennoch können alle diese Bemühungen nicht darüber hinwegtäuschen, daß es bislang an integrierenden Studien mangelt, die sich mit dem komplizierten Diversifikationsprozeß naturwissenschaftlich-technischer Entwicklungen in theoretisch fundierter Weise beschäftigen oder gar den Versuch unternehmen, analog zur Geschichte der Populärkultur eine Geschichte der Populärwissenschaft zu schreiben.
Es ist kaum ernsthaft bestreitbar, welche überragende Bedeutung den modernen (eben auch technischen) Medien wie Kino, Rundfunk und Fernsehen ebenso wie illustrierten Zeitschriften für die breitenwirksame Vermittlung von naturwissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen zukommt. Die Effekte dieser Medien sind bisher kaum beachtet worden, ganz zu schweigen von der unübersehbaren Menge an technischer Gebrauchsliteratur (angefangen von Lehrbüchern über Belletristik bis hin zur technischen Gebrauchsanweisung und Ratgeberliteratur). Neben den Museen war diese Literaturgattung mindestens ebenso wichtig wie die Curricula für den naturwissenschaftlichen Schulunterricht oder die populären Vorträge und Demonstrationen, denen sich kaum ein namhafter Wissenschaftler entziehen konnte. Science fiction, Comics oder Chemiebaukästen, naturwissenschaftliche Vereine oder »do-it-yourself«-Baumärkte, Amateurclubs oder Fördervereine - das gemeine Schauspiel (Laienspiel) und die hohe Kunst der Wissenschaftsvermittlung haben mannigfaltige Foren hervorgebracht.
Obgleich dort ebenfalls am Anfang stehend, scheint die wissenschaftshistorische Beschäftigung mit jenem komplizierten Verhältnis zwischen esoterischer Kultur der Wissenschaften und anderen kulturellen Bereichen im englischen und französischen Sprachraum doch deutlich mehr Interesse zu finden. Von einer »low scientific culture« oder »le troisi?me homme« ist die Rede, um die gewaltige Wirkung der Popularisierung auf kulturelle Veränderungen angemessen zu umschreiben. Popularisierung wird also keineswegs als simple one-way-Kommunikation von Katheder und Labor ins breite Publikum betrachtet, sondern - zumindestens in den theoretischen Grundannahmen - als eine dialektische Beziehung gegenseitiger Abhängigkeit und Beeinflussung.
In meinem Beitrag möchte ich neuere Arbeiten zur Popularisierungsforschung vorstellen, hinsichtlich ihrer Ziele, Themen und Abgrenzungen kritisch beleuchten und für die Technikgeschichte überprüfen.