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Der Ansatz der Geschlechtergeschichte in der Technikgeschichte

Dorothea Schmidt, Karin Zachmann

Der Ansatz der Geschlechtergeschichte in der Technikgeschichte oder: Warum die Technikgeschichte die Geschlechtergeschichte braucht

Es scheint auf den ersten Blick, als hätten die Technikgeschichte und die Geschlechtergeschichte wenig Gemeinsames, außer daß sie wechselseitige Vorurteile pflegen - so auf Seiten der Technikgeschichte die heimliche Prämisse der grundsätzlichen »Technikferne« von Frauen und der (positiv besetzten) »Techniknähe« von Männern; dem entspricht auf Seite der Geschlechtergeschichte zuweilen die Auffassung, jegliche technische Neuerung habe bisher einen Angriff auf weibliche Arbeits- und Lebensmöglichkeiten dargestellt. Demgegenüber soll gezeigt werden, daß es in den letzten Jahren zu fruchtbaren Begegnungen der beiden Disziplinen gekommen ist, deren Ertrag hier lediglich für die Technikgeschichte, und zwar am Beispiel des Zusammenhangs von Technik und Arbeit, darzu stellen ist.

Die Geschlechtergeschichte hat in dreierlei Hinsicht dazu beigetragen, der Technikgeschichte neue Impulse zu geben:

1. Sie hat ihr Untersuchungsfeld vergrößert, indem sie die Technikgeschichte von bisherigen Beschränkungen befreit hat. So hat diese sich bis dahin überwiegend auf die Erforschung bestimmter »angesehener« Branchen und Techniken konzentriert, wobei spektakuläre Neuerungen eher registriert wurden als alltägliche und weitverbreitete Gegenstände oder Praktiken. Darüberhinaus wurden Tätigkeitsbereiche außerhalb der bezahlten Arbeit durchweg ausgeblendet.

2. Sie hat an der Wiederbelebung des kritischen Potentials der Technikgeschichte mitgewirkt. Während Technikhistoriker die Entstehung und Verwendung von Artefakten oftmals pauschal in unmittelbarem Zusammenhang mit »Nutzen« oder »Bedürfnissen« sahen, hat die Geschlechtergeschichte, in Anknüpfung an ältere gesellschaftskritische Positionen, derart harmonisierenden Sichtweisen die gesellschaftlichen Dimensionen von Macht und Herrschaft entgegengehalten.

3. Sie hat eine neue Sichtweise auf die kulturellen Prozesse im Zusammenhang mit dem Entwurf, der Herstellung und der Nutzung von Artefakten eröffnet, indem sie, jenseits essentialistischer Zementierungen, die Bedeutung historisch je unterschiedlicher Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit thematisierte, die meist unbewußt in diese Prozesse einflossen und ihre Ergebnisse entscheidend mitprägten.