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Technikhistorische Fragestellungen und ihr gesellschaftlicher Kontext

Sven Tetzlaff

Technikhistorische Fragestellungen und ihr gesellschaftlicher Kontext: die Ansätze der Ingenieure, Historiker und Nationalökonomen um die Jahrhundertwende

Die wissenschaftliche Standortbestimmung der Technikgeschichte ist seit den 70er Jahren durch zwei unterschiedliche Ansätze gekennzeichnet: Vor dem Hintergrund einer kritischen Herausforderung durch sozialwissenschaftliche Modelle und Theoreme wurde der Selbstverständigungsprozeß zum einen als Diskussion verschiedener analytisch-theoretischer Zugänge und Deutungsmöglichkeiten geführt. Während die daraus resultierenden Anstöße der technikhistorischen Forschung durchaus wichtige Impulse etwa in Richtung einer sozialgeschichtlichen Erweiterung ihrer Fragestellungen vermitteln konnten, blieb jedoch der Ertrag für eine genauere Bestimmung des fachwissenschaftlichen Profils begrenzt. Als ertragreicheres Medium zur Klärung des Standes der Disziplinentwicklung erwies sich auf der anderen Seite die Historiographie der Technikgeschichtsschreibung, die die Geschichtlichkeit von Forschungsansätzen und deren gesellschaftliche Einbindung herausarbeitete und damit einer ersten Einordnung zugänglich machte. Erst die Historiographiegeschichte - im Sinne von Ernst Schulin verstanden als Verknüpfung von Traditionskritik und Rekonstruktionsversuch - ermöglichte auch der Technikgeschichte eine vergleichende Analyse der geschichtlichen Entwicklung ihrer Erkenntnisziele und -methoden.

Die unter dieser Perspektive in den 70er Jahren publizierten historiographiegeschichtlichen Überblicksdarstellungen (die zusammen mit den nachfolgenden personenbezogenen Studien bis heute als Forschungsstand gelten können) ließen erkennen, daß gerade in der Formierungsphase der Technikgeschichte als Fachdisziplin um die Jahrhundertwende neben den Ansätzen der historisch arbeitenden Ingenieure und Techniker besonders in der historischen Nationalökonomie und als Ausnahme auch in der Geschichtswissenschaft technikhistorisch relevante Ansätze und Fragestellungen entwickelt wurden, die allerdings episodisch blieben und in der ingenieurwissenschaftlich dominierten Fachentwicklung keinen Niederschlag fanden.

Eine vergleichende Rekonstruktion dieser Ansätze anhand ausgewählter Schriften soll zeigen, daß als Reflexion auf den sozial-ökonomischen Umbruch im späten 19. Jahrhundert innerhalb der historischen Schule der Nationalökonomie eine theoriegeleitete sozial wissenschaftliche Technikgeschichtsforschung entstanden war - dokumentiert durch eine Reihe von technik-, sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Theorieentwürfen sowie monographischen Abhandlungen -, die sich jedoch bedingt durch den Paradigmenwechsel inne rhalb dieser Disziplin nicht entfalten konnte und damit der sich etablierenden ingenieurmäßigen Technikgeschichte und ihren Forschungen das Feld überließ. Gleiches gilt für den interdisziplinären Ansatz in der Darstellung der Deutschen Geschichte von Karl Lamprecht, der im Gefolge des »Methodenstreites« für eine Einbeziehung der Technik in die traditionelle Geschichtswissenschaft wirkungslos blieb. Die Entstehungsbedingungen und konzeptionellen Möglichkeiten und Grenzen dieser technikhistorischen Ansätze sollen aufgezeigt werden, um anhand der Ergebnisse abschließend zu diskutieren, wie sich eine »moderne« Technikgeschichtsschreibung historiographisch bestimmen läßt.