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Der Gibraltar-Damm. Das Atlantropaprojekt Herman Sörgels

Alexander Gall

Dem Atlantropaprojekt des Münchner Architekten Herman Sörgel (1885-1952) lag der Gedanke zugrunde, durch Staudämme bei Gibraltar und den Dardanellen den Meeresspiegel des Mittelmeeres um 100 Meter abzusenken und auf diese Weise Energie und neuen Lebensraum zu gewinnen. Als gesamteuropäisches Projekt konzipiert zielte es erst auf die politische Integration Europas und dann auf die Vereinigung mit Afrika zu dem autarken Kontinent Atlantropa. Für Afrika sah der Atlantropaplan die Bewässerung der Sahara und die Stauung des Kongo zu einem Binnenmeer vor. Neben dem Ausbau weiterer Energiequellen sollte dadurch die verkehrstechnische Erschließung und die Klimatisierung Zentralafrikas auf eine für Europäer angenehme Temperatur erreicht werden. Herman Sörgel propagierte seine Pläne von 1928 bis zu seinem Tod 1952 durch mehrere Bücher, Ausstellungen, Presseartikel und zeitweilig auch durch eine eigene Zeitschrift.

Das Atlantropaprojekt fand in der Weimarer Republik unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise nicht nur breite Resonanz in der Presse, sondern wurde auch von bedeutenden Vertretern der modernen Architektur unterstützt. Während das Interesse im Nationalsozialismus aufgrund seines paneuropäischen Anspruchs und seiner geographischen Orientierung stark nachließ, erlebte das Atlantropaprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg eine vorübergehende Renaissance. Doch unabhängig vom politischen System blieb jede konkrete staatliche Unterstützung für Sörgels Pläne aus.

Im Atlantropaprojekt spiegelte sich ein vielfältiger zeithistorischer Kontext, der Geopolitik, Technokratie- und Paneuropabewegung umfaßte. Zugleich verkörperte es den visionären Höhepunkt einer Konjunktur hydrotechnischer Großprojekte. Ebenso wie Atlantropa strebten diese meist eine Kombination mehrerer Ziele an, die von Stromerzeugung und Verkehrserschließung über Landgewinnung, Erntesteigerungen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bis zur bewußten Beeinflussung des Klimas reichten. Zugleich gehört das Atlantropaprojekt damit auch zur Vorgeschichte der Atomeuphorie in den 50er Jahren.

Hinter dem Atlantropaprojekt stand letztlich der Anspruch, eine großtechnische Universallösung für die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Zeit zu bieten.