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Der Transport des Vatikanischen Obelisken - eine technische Großleistung des 16. Jahrhunderts

Klaus Mauersberger

Der Transport des »Vatikanischen Obelisken« von der alten Sakristei hinter dem Petersdom zur Mitte des Petersplatzes in Rom im Jahr 1586 zählte seinerzeit zu den spektakulärsten technischen Großereignissen und gilt noch heute als glanzvolle Ingenieurleistung. Das einstige Symbol ägyptischen Herrscherkultes sollte unter Anteilnahme großer Scharen schaulustiger Menschen als ein Wahrzeichen des christlichen Glaubens aufgestellt und geweiht werden.

Vom päpstlichen Architekten und Baumeister Domenico Fontana (1543-1607) minutiös geplant, stellte die Niederlegung, das Versetzen zu seinem 250 Meter entfernten neuen Standort sowie das Aufrichten des 25 Meter hohen und 320 Tonnen schweren Monolithen nicht nur eine technisch-organisatorische Leistung dar, sondern verkörperte auch einen bedeutenden Schritt hin zu ingenieurwissenschaftlichen Methoden beim Heben und Versetzen schwerer Lasten. Bereits die Einberufung eines »Ingenieurkongresses«, auf dem etwa 500 Bewerber aus Italien und dem Ausland ihre Pläne, Entwürfe, ja sogar fertige Modelle vorgestellt haben, sowie die anschließende ausgiebige Beratung und Prüfung der Projekte zeigt ein der Renaissance eigenes, neues und ingenieurmäßiges Vorgehen an.

Fontana, dessen Methode den Zuschlag erhielt, beherrschte zwar noch keine statischen Verfahren, doch verließ er sich - im Gegensatz zu den allgemeinen Gepflogenheiten seiner Zeit - nicht allein auf sein Gefühl, sondern ermittelte mit einfachen rechnerischen Ansätzen das Gewicht des Kolosses sowie die Dimension und Anzahl der notwendigen Hebezeuge. Unter Anwendung von 40 Flaschenzügen, die durch ebensoviele Göpel bewegt wurden, zog man den Stein vertikal von seinem Fundament und legte ihn langsam nieder. Mehr als 900 Männer und 75 Pferde standen hierfür zur Verfügung. Er wurde daraufhin auf einer eigens errichteten Rampe mittels Walzen zum neuen Standort gezogen und dort mit den gleichen Mitteln wieder aufgerichtet.

Insbesondere die dem Transport vorausgehenden kalkulativen Erwägungen stellten in jener Zeit ein Novum dar. Die Beschreibung des Vorhabens in dem 1590 erschienenen, reich bebilderten Buch »Della trasportazione dell' obelisco Vaticano ...« hat auf ganz eigenständige Weise die Ausbreitung des technischen Wissens gefördert und eine technische Kulturleistung der Nachwelt überliefert.