Die Landschaft der Umweltgeschichte
Thomas Zeller
Je stärker sich die Umweltgeschichte im Kanon der Geschichtswissenschaften etabliert, desto größer wird ihre Bandbreite. Daß die Umweltgeschichte eher eine Querschnittsgeschichte als eine weitere Subdisziplin ist, zeigt das Beispiel der Landschaftsgeschichte. Noch vor zehn Jahren hätten Technik- und Umwelthistoriker Landschaft und ihre Geschichte tendenziell Geographen und Landschaftsarchitekten oder aber Vertretern der Geistesgeschichte überlassen. Heute hingegen begreift eine wachsende Zahl von Historikerinnen und Historikern Landschaft als zu Unrecht vernachlässigtes und daher neu zu entdeckendes Forschungsfeld. In dem Vortrag sollen Charakteristiken, Chancen und Risiken einer solchen Landschafts-Geschichte im Schnittfeld von Umwelt- und Technikgeschichte diskutiert werden.
Die in der Kunstgeschichte gängige Definition von Landschaft als »geschautem Naturausschnitt« verweist auf den menschlichen Blick, der Landschaft erst konstituiert, und ihr Verhältnis zur Natur. Im Auge des Beobachters wird Landschaft wahrgenommen, und zwar durch einen normativen Prozeß. Das Ergebnis solcher Betrachtungsweisen ist die jeweilige Wertzuschreibung für bestimmte Landschaften als erhaben oder alltäglich, schön oder häßlich, vielfältig oder einförmig, der nationalen Eigenart angemessen oder artfremd. In dem Maße, wie technische Bauten eine vorher für stabil gehaltene Landschaft verändern, geraten verschiedene Vorstellungen und bauliche Konzepte von Landschaft in Konflikte, die sich mit umwelthistorischen Methoden untersuchen lassen. Prägend ist dabei die Verbindung einer dem Elitendiskurs verhafteten Ideengeschichte und einer sozialgeschichtlich orientierten Untersuchung ihrer Träger.
Damit kann Landschafts-Geschichte einen Beitrag dazu leisten, das historische Verhältnis von Mensch und Umwelt auch auf der Ebene der sozialen und physischen Konstruktion von Landschaft zu erforschen. Daß solche umwelthistorischen Untersuchungen notwendigerweise auch mit technikhistorischen Methoden vorgehen, liegt auf der Hand. Denn als bedeutend wahrgenommene Landschaftsveränderungen setzen den Einsatz technischer Mittel voraus und auf der anderen Seite schaffen großtechnische Systeme wie Elektrizitätsversorgung oder Verkehr eigene Landschaftstypen mit prägendem Einfluß.
Der Vortrag soll neben solchen methodischen Überlegungen das Bild von Landschaft in entwickelten Industriestaaten ansatzweise beleuchten. Dabei soll gezeigt werden, wie stark das Landschaftsverständnis der Romantik noch im 20. Jahrhundert in Konzepte der technischen Neukonstruktion von Landschaften einfließt, beispielsweise im Flußbau. Dagegen sollen Landschaften untersucht werden, die als rein funktionale Modernisierungsprodukte Kritik auf sich zogen. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, welche Werte und Interessen Kritiker und Befürworter leiteten. Abschließend sollen in einem Ausblick Beharrungsvermögen und Wandlungsfähigkeit von Landschaftsvorstellungen mit einer kritischen Würdigung des Konzepts der »totalen Landschaft«, wie es Sieferle vor kurzem vorgestellt hat, verbunden werden. Damit soll auch die Frage beantwortet werden, ob die Untersuchung historischen Landschaftswandels als zusätzliches Forschungsgebiet für die Umweltgeschichte interessant und relevant ist.