Zum Zusammenspiel von Instrument, Experiment, Theorie und Bild
Jochen Hennig
Bilder in der Wissenschaft werden in der letzten Zeit als "Instrumente" der Wissensproduktion beschrieben (Böhm 1994; Heintz/Huber 2001), gleichzeitig werden sie selber instrumentell mit Hilfe von Visualisierungstechniken erzeugt. Diese Techniken sind sicherlich teilweise standardisiert und stabilisiert, befinden sich aber gleichzeitig auch unter ständiger Weiterentwicklung und Veränderung. Da sich die Visualisierungstechniken in das Bild einschreiben und im Bild vorkommen, können sie bei der Arbeit mit dem Bild im wissenschaftlichen Prozess genauso in den Blickpunkt rücken wie das ursprüngliche Untersuchungsobjekt - das "epistemische Ding" (Rheinberger 1993); das heißt, dass Experimente einen reflexiven Charakter bekommen können, indem nicht nur mit den Visualisierungstechniken experimentiert wird, sondern sie auch selbst im Experiment untersucht werden.
In der Wissenschaftsgeschichte ist in den letzten Jahren herausgearbeitet worden, dass Experimente und Theorien in einem wechselnden, dynamischen Verhältnis stehen und das "Zusammenspiel von Instrument, Experiment und Theorie" wurde beschrieben (Hentschel 1998). Für Experimente unter Verwendung von Visualisierungstechniken möchte ich argumentieren, dass die dabei erzeugten Bilder in ihrer Eigenart, als Bild wahrgenommen zu werden, eine weitere eigenständige Dimension darstellen.
Anhand einer Fallstudie, nämlich dem Beispiel des Tunnelmikroskops, möchte ich den Fall betrachten, dass Anfang der 1990er Jahre die theoretische Grundlage dieser Visualisierungstechnik aufgrund von Bildern revidiert werden musste, die innerhalb von Experimenten angefertigt wurden, die ursprünglich nicht die Überprüfung der Theorie zum Ziel hatten. Ich möchte zeigen, dass die zuvor erstellten Bilder und Argumentationen mit Hilfe dieser Bilder nicht in Gänze obsolet geworden sind, dass die Bilder ein "Eigenleben" geführt haben, das über den Theoriewechsel hinweg kontinuierlich verlief.
Ich werde darüber hinaus argumentieren, dass die veröffentlichten Bilder nicht mit der Theorie des Tunnelmikroskops direkt abzugleichen waren, sondern in andere Repräsentationsformen wie zum Beispiel Graphen transformiert werden mussten, um an die Theorie, die ihrerseits in Form von Formeln repräsentiert wurde, anschlussfähig zu sein. Dabei sind Repräsentationen entstanden, die sich nicht mehr auf die ursprüngliche Referenz und das ursprüngliche epistemische Ding beziehen, sondern "lediglich" auf andere Repräsentationsformen.
Damit werde ich in meinem Beitrag ausgehend von einer Fallstudie sowohl auf die Frage nach der Evidenz wissenschaftlicher Bilder als auch auf allgemeine repräsentations-theoretische Aspekte zu sprechen kommen.