Michael Herdick
Mittelalterarchäologie und Technikgeschichte
Aus dem Etablierungsprozess der Technikgeschichte sind zwei Aspekte als besonders folgenreich für das Verhältnis der Fächer hervorzuheben.
Die Anstöße kamen von Ingenieuren, die durch die Zuweisung eines kulturgeschichtlichen Stellenwertes den Sozialstatus ihres Berufsstandes erhöhen wollten. Darin liegt eine der Wurzeln für die Dominanz neuzeitlicher Themenstellungen.
Inhaltlich hatte man sich seit den 60er Jahren von einer isolierten Betrachtung technischer Innovationen gelöst. Technikgeschichte wurde eingebettet in die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und damit wechselte der Fokus vom Objekt auf das Umfeld.
Daraus ergeben sich zwei Problemfelder:
Abgesehen von Arbeiten einzelner Spezialisten scheint es in chronologischer Hinsicht keine große Berührungsfläche zwischen den Fächern zu geben. Nach allgemeiner Wahrnehmung endet das Mittelalter um 1500, während die Mehrzahl technikgeschichtlicher Forschungsprojekte, die derzeit in Deutschland laufen, eher später ansetzen.
Archäologen und Technikhistoriker haben wegen ihrer verschiedenartigen Quellengattungen einen anderen Zugang zur Technik. Zwar ist die Berücksichtung sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Fragestellungen in der Mittelalterarchäologie unbestritten, aber technikarchäologische Befunde machen Detailstudien zur Regel. Zugespitzt formuliert: Archäologen bleiben länger am Objekt.
Die Mittelalterarchäologie agierte anfangs nur dort, wo die schriftliche Überlieferung als unzureichend empfunden wurde. Da etwa Inschriftenfunde den Charakter archäologischer und schriftlicher Quellen haben, ist dieser Ansatz kaum sinnvoll zu rechtfertigen. Der größte historische Erkenntnisgewinn entsteht dort, wo Funde den Schriftquellen an die Seite gestellt werden können. Der Mittelalterarchäologie kann daher eine wichtige Rolle beim Dialog zwischen Archäologie und Geschichtswissenschaften zukommen.
Wenn Schriftüberlieferung nicht konstituierendes Element für die Archäologie ist, steht auch die Abgrenzung zur Neuzeit zur Disposition. Da es in der archäologischen Überlieferung keinen klar erkennbaren Bruch „um 1500“ gibt, ist eine solche Epochengrenze nicht zwingend.
Die Umweltgeschichte ist ein weiteres Begegnungsfeld, auf dem der Austausch mit der Archäologie verbessert werden kann. Eine epochenübergreifende Perspektive ist hier unabdingbar, zu dem die Mittelalterarchäologie beitragen kann.
Wie die Mittelalterkunde davon profitieren kann, soll am Beispiel der unterschiedlichen Bewertung früher Montan- und Textilregionen gezeigt werden.