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Anne Sudrow

Wo endet die Funktion, wo beginnt die Form? Überlegungen zur Rolle des Design und seiner Akteure in der Technikgeschichte

Als TechnikhistorikerInnen stolpern wir oft über Blüten des Gestaltungswillens von Ingenieuren und Produktentwicklern. Dampfmaschinen von 1840 als dorische Tempel, das stark ornamentierte Äußere der ersten Telefone und Nähmaschinen oder elaborierte Glühlampen-Lüster der Gründerzeit weisen darauf hin, dass neue Techniken zunächst mit altgewohnten Formen in die Welt entlassen wurden, und dass im Prozess der funktionalen Schließung auch die angemessene Form der Dinge für ihren sozialen Kontext erst gefunden werden musste. Erstaunlich wenig haben sich aber Technikhistoriker bislang mit diesem Formfindungsprozess befasst. Es ist fast so, als sei die Funktion eines Gegenstands, Geräts oder technischen Systems, also die Konstruktion, von der Form, meist implizit als reine Hülle gedacht, zu trennen. Doch im Phänotyp des Kaffeelöffels oder der Schraube: wo endet ihre Funktion, wo beginnt ihre Form? Bei komplexeren, technischen Sachsystemen ist diese Frage nicht weniger kompliziert. Warum wurde die Aufgabe der Formgebung im Technikgeneseprozess zunehmend anderen Fachkräften als den Ingenieuren und Technikern übertragen und damit Konstruktionsarbeit und Gestaltungsarbeit oft getrennt? Dies gilt für Investitionsgüter ebenso wie für Konsumgüter. Welche Kompetenzen besaßen die professionellen Musterzeichner, Architekten und Designer, die Ingenieure und Handwerker nicht hatten? Welche Rolle spielten sie bei der Zurichtung eines technischen zu einem gesellschaftstauglichen Artefakt und seiner Zirkulation? Und wer sind überhaupt die Akteure der Gestaltung? In diesem Beitrag soll danach gefragt werden, ob der methodische Zugriff über die Designgeschichte und Designtheorie neue Zugänge zur Technikgeschichte und zur Frage der sozialen Konstruktion von Technik eröffnen.