Jan Müggenburg
Die Menschmaschine. Bionik und Kybernetik in Science und Fiction
Als die neue Wissenschaftsinitiative der Bionics Anfang der sechziger Jahre in der Wright Air Development Division der US-Airforce in Dayton, Ohio aus der Taufe gehoben wurde, hatten die versammelten Wissenschaftler und Militärfunktionäre um Major Jack Steel nicht weniger im Sinn als die Gründung einer interdisziplinären Universalwissenschaft, die sich mit allen Phänomenen befassen sollte, welche die Eigenschaften von lebendigen Systemen aufweisen oder diesen ähnlich sind. Dabei forderte man auf dem ersten Bionics Symposium im Jahr 1960 nicht nur eine Unterstützung der Ingenieurswissenschaften durch biologische Grundlagenforschung, sondern versprach sich umgekehrt auch eine Anreicherung naturwissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten durch elektrotechnische Bastelei.
Der österreichische Kybernetiker Heinz von Foerster war einer der ersten, der den universalen Methodenmix der Bionik für sein 1958 gegründetes Biological Computer Laboratory (BCL) in die Praxis umsetzte. Mit seinem Labor schuf Heinz von Foerster ein interdisziplinäres Arbeitsumfeld für Biologen, Ingenieure, Philosophen, Psychiater, Mathematiker, Musiker und eine Ausdruckstänzerin (!). Die zentralen Elemente der gemeinsamen Forschungsprogrammatik bestanden dabei zunächst in der Analyse ›biologischer Computer‹ (Auge, Ohr, Gehirn, Bewegungsapparat etc.), der mathematischen Modellierung der ihnen zugrunde liegenden Fundamentalprinzipien und der Konstruktion elektrotechnischer Living Prototypes nach dem Vorbild dieser Blaupausen der Natur. Die Galerie der am BCL konstruierten kybernetischen Maschinen umfasste so unterschiedliche Prototypen wie eine künstliche Retina (NumaRete), ein künstliches Ohr (Dynamic Signal Analyzer) oder einen selbstorganisierenden Automaten, der nichts anderes konnte, außer sich selbst zu organisieren (Adaptive Reorganizing Automaton).
Die Vision der Bionik einer prinzipiellen Gültigkeit allgemeiner Funktionsprinzipien für Natur, Mathematik und Technik zugleich hat sich in den sechziger und frühen siebziger Jahren als überaus anschlussfähig erwiesen. Wenn es prinzipiell möglich ist Technologien zu konstruieren, die nach den gleichen Prinzipien funktionieren wie ihre biologischen Prototypen, dann ist es vielleicht auch möglich diese erstens in ihrer Performanz zu übertreffen und sie zweitens in die organische Welt zurückzuüberführen: Der Science-Fiction Autor Martin Caidin (1927-1997) hat diesbezügliche Spekulationen auf dem Bionics Symposium für seine Roman-Reihe Cyborg aus dem Jahr 1973 verwendet. In der Erzählung der Menschmaschine Steve Austin nimmt Caidin Bezug auf die Bionik-Konferenzen in Dayton, Ohio und das kybernetische Labor Heinz von Foersters. Seine Erzählungen dienten schließlich als Vorlage für die populäre amerikanische Fernsehsendung The Six Million Dollar Man (1974-1978).
In dem ich in meinem geplanten Beitrag den wissenschaftspragmatischen Entwurf der Bionik und die Forschungspraxis am Biolgical Computer Laboratory näher beleuchte, möchte ich zunächst die zentralen Phantasmen der Kybernetik und Bionik herausarbeiten. In einem zweiten Schritt werde ich dann anhand historischer und aktueller Beispiele zeigen, wie diese Phantasmen in den verschiedensten Bereichen der Populärkultur reüssieren konnten.