Konstruktionsarbeit als Praxis
Mikael Hård
Nachdem Edwin Layton im Jahre 1974 die Artikel »Mirror-Image Twins« und »Technology as Knowledge« veröffentlichte, neigen viele Technikhistoriker dazu, die Technologie als eine Wissenschaft zu betrachten. Es wird dabei hervorgehoben, daß der Ingenieurstand - etwa parallel zu den Naturwissenschaftlern - sich die letzten Jahrhunderte mit systematischem Experimentieren, dem Aufbau abstrakter Wissenssysteme, formalen Lehrveranstaltungen und dem Verfassen von allgemein zugänglichen Textbüchern beschäftigt hat. In letzter Zeit ist diese These über die Technologie als Wissen vor allem vom Amerikaner Walter Vincenti vertreten worden, aber sie ist auch in der deutschen Technikgeschichtsschreibung in der Diskussion über die Natur der Technikwissenschaften zu finden - z. B. bei Gerhard Zweckbronner.
Dieser Vortrag geht von einer anderen Perspektive aus. Es wird zwar angenommen, daß die moderne Technologie nicht ohne übertragbare Wissenskomponente auskommen kann, aber es wird gleichzeitig argumentiert, daß die Bedeutung des abstrakten Wissens für die tägliche Ingenieurarbeit von den Technikhistorikern überschätzt worden ist. Ausgehend von internationalen Fallstudien aus der Geschichte des Dieselmotorenbaues in der Zwischenkriegszeit wird gezeigt, daß die Konstruktionsarbeit hauptsächlich auf einer »trial-and-error«- Art beruhte und deshalb besser mit Begriffen wie »Tüfteln« und »Basteln« zu bezeichnen ist. Auch für Ingenieure und Techniker in weltführenden Firmen bedeutete das unmittelbare Erfahren und das dadurch entwickelte Können anscheinend viel mehr als das in Büchern und anderen Texten zugängliche Wissen. Zur Interpretation dieser Beobachtungen wird im Vortrag die Praxistheorie von Pierre Bourdieu benutzt. Das Ergebnis: technische Arbeit ähnelt allen anderen Praxisformen (auch der der Wissenschaft) und soll im Prinzip nicht anders behandelt werden.