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Belehrende Unterhaltung. Technikpropaganda in der DDR-Bilderzeitschrift Mosaik

Ralf Pulla

Im Zentrum des Vortrages steht die in den Jahren 1958 bis 1960 veröffentlichte „Weltraumserie“
der DDR-Bilderzeitschrift MOSAIK. Die 1955 gegründete Zeitschrift MOSAIK hat ihr Entstehen
dem Neuen Kurs der DDR-Regierung nach dem 17. Juni 1953 zu verdanken und war die einzige
durchgängige Bilderzeitschrift der DDR. Das MOSAIK begann als Autoren-Comic von Johannes
Hegenbarth. Nach einer kurzen rein unterhaltenden Phase forderte man den Autor jedoch dazu
auf, die unpolitischen Bildergeschichten aufzugeben. Der Auftrag an Zeichner und Texter lautete,
eine sozialistische Bildergeschichte zu entwerfen, die unterhaltsam ist und ein jugendliches
Publikum anspricht. So sahen sich die Macher des MOSAIK schon kurz nach der Gründung der
Zeitschrift veranlasst, die Ost-West-Konfrontation als Abbild des Kalten Krieges thematisch
darzustellen. Der wissenschaftlich-technische Systemwettlauf am Ende der 1950er Jahre schien
besonders geeignet, das jugendliche Publikum zu informieren und zu erziehen. Die im Dezember
1957 gestartete Weltraumserie bildete eine Ausnahme in der gesamten Werksgeschichte des
MOSAIK: Die Story sollte zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung nie wieder in der Gegenwart
bzw. Zukunft spielen; sie widmete sich später retrospektiv vorrangig historischen Themen. Die
Macher der Bilderzeitschrift versuchten auf diese Weise, sich der immer stärkeren Einengung
durch ideologische Vorgaben zu entziehen. Bis 1960 aber folgte man den Richtlinien.
Die sowjetischen Erfolge in der Weltraumfahrt, die vom Westen als Sputnik-Schock
wahrgenommen wurde, legten ein Szenarium im Kosmos nahe. Das MOSAIK trat
gewissermaßen die Flucht nach vorn an und verlagerte die Handlung auf den Planeten Neos. Dort
teilte man die Welt in eine fortschrittliche „Republikanische Union“ und in das schurkische
„Großneonische Reich“. Parallelen zum sozialistischen und kapitalistischen Staatensystem waren
beabsichtigt. Eingebettet in eine Abenteuergeschichte fand das Publikum Belehrung über
technische und wissenschaftliche Entwicklungen, die auf Lehrtafeln in die Geschichte integriert
wurden. Die Verlage „Neues Leben“ und „Junge Welt“, in denen das Mosaik nacheinander
erschien, nahmen ihren Bildungsauftrag ernst und wollten die Leser ihrer Publikationen auch
weltanschaulich erziehen. Technik wurde im MOSAIK mehr oder weniger behutsam ideologisch
überformt. Zugleich deckten sich die in der Weltraumserie vermittelten Wissensinhalte mit dem
Ideal der polytechnischen Ausbildung in der DDR. Die jungendlichen Leser wurden am Beispiel
der Technik in der Republikanischen Union über zahlreiche Branchen der materiellen Produktion
in der DDR informiert. Die Wissensinhalte entstammten den zum Zeitpunkt der Heftpublikation
in der DDR laufenden Industrieprogrammen: dem Luftfahrtprogramm (Beginn 1952/54), dem
Kohle- und Energieprogramm (1957) sowie dem Chemieprogramm (1958). In der
ikonographischen Analyse treten die Vorlagen der Abbildungen klar zutage: Mit dem
Passagierflugzeug 152, der Großgerätetechnik in einem Braunkohlentagebau und der
Verfahrenstechnik zur Herstellung von Kunstfasern findet sich auf Neos DDR-Technik wieder.
Sie wurde von den Autoren des MOSAIK mit fortschrittlicher Technik gleichgesetzt. Die im
Sommer 1960 von der technikhistorisch intendierten „Erfinderserie“ abgelöste Weltraumserie ist
ein Abbild von ideologisierter Technikpropaganda. Sie ist darüber hinaus aber auch ein Indikator
für Technikeuphorie und Bildungsideale am Ende der 1950er Jahre in der DDR.