Die Unternehmensgeschichte der LOEWE AG nach 1962
Die Unterhaltungselektronikbranche ist ein Markt, der sich durch seine vielen Innovationen besonders agil und beweglich zeigt. Damit ein Unternehmen erfolgreich wirtschaften kann, muss es eine sehr genaue Vorstellung von den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden und Nutzer haben. Wie schwierig das Bestehen in diesem Markt ist, zeigt der Niedergang deutscher Traditionsunternehmen in diesem Bereich. Viele Markennamen sind in den letzten Jahren verschwunden oder dienen inzwischen nur noch als Handelsbezeichnungen. Es war wohl der Preis- und Innovationsdruck, vor allem aus Fernost, der über die Zeit zu groß wurde. Einzelne europäische Unternehmen konnten sich - auf den ersten Blick - nur aufgrund ihrer Größe und ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeit am Markt erfolgreich halten. Als Beispiel ist hier Philips zu nennen: Ein Unternehmen, das sich zum einen durch seine Größe in Umsatz, Mitarbeiterzahl oder Produktionsmengen von vielen Mitbewerbern abhebt, zum anderen sich aber im Bereich der Unterhaltungselektronik auch als ein Unternehmen etablieren konnte, das ständige neue Geräte bzw. Medien und damit auch neue Standards schuf. Genannt seien hierfür exemplarisch die Musikkassette, die CD oder die DVD. Es konnten sich aber auch durchaus kleinere Unternehmen, wie beispielsweise die Loewe Opta AG (heute: Loewe AG) halten. In seiner Größe (wieder auf Umsatz, Mitarbeiterzahl oder Produktionsmengen bezogen) deutlich der niederländischen oder japanischen Konkurrenz unterlegen, konnte das 1923 gegründete Radio- und Fernsehpionierunternehmen über die Jahre weitestgehend seine Marktanteile halten und ist im Gegensatz zu anderen, deutlich größeren Unternehmen in Deutschland wie Grundig, AEG, Telefunken oder Graetz noch immer aktiv. Thema der Arbeit soll eine Untersuchung darüber sein, wie sich dieses verhältnismäßig kleine Unternehmen zwischen 1962 und 1999 innerhalb des Unterhaltungselektronikmarktes halten konnte und welche Verhaltensweisen wirtschaftlicher, technischer oder gar kultureller Art dafür von Nöten waren. Das Eckdatum 1962 ist durch den Tod des Firmengründers Siegmund Loewe festgelegt. Dieser Einschnitt bedeutete das Ende als Familienunternehmen. Zudem existiert bereits eine unternehmenshistorische Abhandlung für den Zeitraum von 1923 bis 1962. Enden soll der Betrachtungszeitraum 1999, als Loewe erstmals an der Börse notiert wird, nachdem das Unternehmen zwischenzeitlich in eine GmbH umgewandelt worden war. Damit ist auch die bis heute aktuelle Gesellschaftsform erreicht. Ganz entscheidend für das Verhalten von Loewe am Markt im Untersuchungszeitraum 1962 bis 1999 ist auch die verdeckte Beteiligung von Philips am Unternehmen: 1962, nach dem Tod des Firmengründers Siegmund Loewe, kaufte der niederländische Konzern mit Hilfe von Tarnfirmen 100% der Aktien. Loewe unterlag von da an der Kontrolle aus Eindhoven. Erst 1985 wurde diese Verbindung aufgedeckt und Loewe durch einen Management Buyout vom Philips-Konzern gelöst. In den 20er und 30er Jahren galt Loewe als ein Unternehmen, das vor allem Aufsehen durch seine ständigen Innovationen erweckte und zur Speerspitze im Entwicklungsbereich der Funk- und Fernsehtechnik gehörte. Nach dem Krieg war Loewe zunächst hauptsächlich Lizenznehmer. Innovationsträger waren andere Unternehmen geworden. Einzelne Highlights wie das Optacord 500, das erste europäische elektromagnetische Bildaufzeichnungsgerät, das 1961 auf der IFA vorgestellt wurde, deuteten jedoch an, dass die Entwicklungsarbeit wieder vorangetrieben wurde. Spätestens in den ausgehenden 70er Jahren hat Loewe wieder größeres technisches Know-How entwickelt und wird erneut zu einem richtungweisenden Produzenten innerhalb der Unterhaltungselektronikbranche. Grundlegend dafür war der Einstieg in die BTX-Technologie, die sich zunächst als Sackgasse herausstellte, später aber Basis für die Multimedia-Technologie im Fernsehbereich war, in der Loewe zum Vorreiter wurde. Trotz all dieser Innovationen stand Loewe immer wieder am Abgrund und konnte teilweise nur durch finanzielle Eingriffe Philips’ weiter bestehen. Die Gründe für diese Krisensituationen sind in der Arbeit aufzuarbeiten und zu analysieren. Der Arbeit liegen folgende Überlegungen zugrunde: Innovationen allein bringen einem Unternehmen keinen wirtschaftlichen Erfolg. Technische Neuerungen müssen vom Markt, also dem Nutzer angenommen werden. Ein Unternehmen benötigt dementsprechend ein sehr genaues Wissen darüber, was der Kunde /der Nutzer wünscht und was er bereit ist dafür zu zahlen. Erfolgreiche Firmen haben diese Kenntnis über ihre Kunden und können ihre Unternehmensstrategie diesen Bedürfnissen anpassen. Allgemein kann man formulieren: Sie organisieren ihre technische Entwicklung, ihr Produktportfolio, ihre Wirtschaftspläne, ihr Produktion und ihren Vertrieb so, dass sie den Kunden genau die Produkte so anbieten können, wie sie gewünscht werden. Die Leistung eines Unternehmens besteht darin diese Wünsche in eine Unternehmensstruktur und Produkte zu übersetzen. Dabei stellt sich das Unternehmen als ein in viele Netzwerke eingebundener Akteur dar. Wobei deutlich wird, dass unterschiedliche Teile des Unternehmens in verschiedene Netzwerke eingebunden sein können. Während die Entwicklungsabteilung in Forschungsverbänden organisiert ist, finden sich der Vertrieb oder die Finanzabteilung in Netzwerken mit Händlern oder Banken wieder. Daraus leitet sich folgende These ab: ein erfolgreiches Unternehmen identifiziert einen Markt, den es durch die Koordinierung der verschiedenen Netzwerke in die die Unternehmensteile involviert sind, bedienen kann. Werden die Netzwerke nicht koordiniert, arbeitet das Unternehmen ineffizient und gerät in eine Krise. Dieser These folgend soll das Netzwerkverhalten des Unternehmens Loewe über die Jahre herausgearbeitet und dargestellt werden, sowie die daraus folgenden Konsequenzen für die Unternehmensstrategie, die Produktion und die Innovationsfähigkeit in Zusammenhang gebracht werden. Dabei ist vor allem auf Brüche zu achten, wenn Strategien geändert werden. Ebenso ist eine sehr genaue Betrachtung des Produktportfolios wichtig. In den Fokus rückt auf Unternehmensseite das Marketing, der Vertrieb, die Fertigung, die Marktforschung als auch die Produktentwicklung und damit die Wechselbeziehung dieser Bereiche untereinander und die sich daraus ableitende Frage nach der Koordinierung. Bei der Arbeit ist vor allem auch auf eine historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen Produzenten und Konsumenten zu berücksichtigen. Inwieweit professionalisiert beispielsweise das Unternehmen seine Analyseinstrumente, um auf ein sich veränderndes Nutzerverhalten zu reagieren? Grundsätzlich ist die aufgestellte These in Bezug auf die 60er und 70er Jahre in soweit in Frage zu stellen, ob das kundenorientierte Denken nicht eine Vorstellung ist, die sich erst in den letzten 20 Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Zudem ist in dieser Zeit noch eher von einem „Verkäufermarkt“ auszugehen. Des Weiteren kann eine Unternehmensgeschichte der Loewe AG nicht ohne eine gleichzeitige Betrachtung des europäischen Markts für Unterhaltungselektronik auskommen. Nur dadurch können erfolgreiche Unternehmensstrategien identifiziert und die von Herstellerseite existierenden Nutzerbilder erkannt werden. Es ist davon auszugehen, dass unterschiedliche solcher Bilder am Markt bestanden und zu unterschiedlichen Handlungsweisen führten, die dementsprechend auch mehr oder minder erfolgreich waren.
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