Anhand der Artefakte technischen Spielzeugs ließe sich eine Kulturgeschichte der neuzeitlichen Technik „en miniature“ schreiben. Alle „großen Symbole des Fortschritts“ fanden sich, lediglich ein wenig zeitversetzt, auch in den seit der Romantik entstehenden Kinderzimmern bürgerlicher Haushalte wieder: Eisenbahnen, Dampfschiffe, Autos und Flugzeuge repräsentierten eine neue, wahrlich grenzenlose Mobilität; Laterna magica und Grammophon führten die Kleinen ein in moderne Formen medialer Unterhaltung; elektrische Kinderbügeleisen und -kochherde standen für die Technisierung der Haushalte, und schließlich ließen sich mit Baukästen die Sinnbilder der Technik – sowohl Fabriken, Brücken, historische Villen und andere Wunderwerke der Architektur, als auch Kräne, Dampfmaschinen und andere Meisterstücke des Maschinenbaus – selbst konstruieren. Die verschiedenen genannten Spielzeugkategorien, die sich parallel zum Industrialisierungsprozess entwickelten, wurden in den Diskursen von Produzenten, Händlern und Konsumenten – stark beeinflusst durch Technikwissenschaften und Pädagogik – gleichermaßen definiert und angepasst. Im Zuge dieser gesellschaftlichen Aushandlungsprozesse wurde in einigen Artefaktgruppen eine eindeutige, ausschließliche Geschlechterreferenz etabliert, andere Kategorien technischen Spielzeugs blieben scheinbar geschlechtsneutral. Ziel des Dissertationsprojektes ist es, in historischer Perspektive den Mechanismen nachzuspüren, die ein Artefakt technischen Spielzeugs oder eine Artefaktgruppe zum typischen Jungen- bzw. typischen Mädchenspielzeug werden ließen. Wann und in welchem Zusammenhang, so muss gefragt werden, lassen sich die geschlechtsspezifischen Zuschreibungen erstmalig nachweisen? Wurden sie mithilfe einer neuen Argumentation überraschend schnell oktroyiert oder schleichend über Jahrzehnte konsolidiert? Warum wurden sie für die eine Kategorie technischen Spielzeugs vorgenommen, für eine andere jedoch nicht? Wer hatte die Macht zu entscheiden, welches Spielzeug sich für welches Geschlecht ziemte, und wie konnte die Definitionsmacht gegen mögliche Widerstände diskursiv durchgesetzt werden? |
Anika Schleinzer Links |